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Geistig fit im Alter: Gedächtnistraining und neuronale Plastizität fördern kognitive Gesundheit



Im Alter entsteht bei Menschen häufig das Gefühl, dass alles schlechter wird – nicht nur die körperliche Beweglichkeit, die Aufmerksamkeit oder Orientierung, sondern auch die Erinnerungs- und Merkfähigkeit scheint nachzulassen. Das mag in bestimmten Punkten sicherlich zutreffen, und Vergesslichkeit gehört zum normalen Alterungsprozess. Aber: Nicht alle Funktionen, die unser Denken, Verstehen oder Wissen betreffen (sogenannte kognitive Funktionen), werden im Alter schlechter. Viele Studien belegen außerdem, dass die geistige Leistung im Alter individuell sehr unterschiedlich ist.


Horn und Cattell (1966) unterscheiden zwischen fluider und kristalliner Intelligenz. Mit fluider Intelligenz werden kognitive Leistungen wie die Flexibilität unseres Denkens, die Geschwindigkeit, mit der wir Informationen verarbeiten, oder auch die Fähigkeit zum schlussfolgernden Denken bezeichnet. Unter kristalliner Intelligenz versteht man all unsere im Laufe des Lebens gelernten Kulturtechniken und -Inhalte, wie Lesen, Rechnen und Schreiben. Während die kristalline Intelligenz bis ins hohe Alter konstant bleibt und sogar noch gesteigert werden kann, nimmt die fluide Intelligenz tendenziell ab.


Aber: Auch diejenigen möglichen Defizite, die häufig erst im späteren Alter massiv und individuell auftreten, können durch ein ganzheitliches Gedächtnistraining und die dadurch bleibende Neuroplastizität und Neurogenese (Bildung von neuen Nervenzellen) verringert werden. Das bedeutet: Aufgrund der neuronalen Plastizität des Gehirns ist Wachstum also durchaus auch im Alter möglich!


Was genau versteht man unter neuronaler Plastizität?

Mit neuronaler Plastizität ist gemeint, dass sich Zellverbindungen im menschlichen Nervensystem, welches zahlreiche Aufgaben übernimmt, ohne die wir nicht überlebensfähig wären, verändern können. Es wurde erkannt, dass Verbindungen zwischen sogenannten Neuronen nicht starr und unveränderbar sind, sondern sich zum Beispiel nach dem Verlust von Nervenzellen (beispielsweise im Rahmen einer Erkrankung) oder durch Lernen verändern können. Plastizität ist die Eigenschaft einzelner Nervenzellen, Verbindungen zwischen Zellen und ganzer Gehirnareale sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung anzupassen.


Es wird häufig zwischen funktioneller und struktureller Plastizität unterschieden. Bei der funktionellen Plastizität verändert sich vor allem die Leistungsfähigkeit der Übertragung zwischen zwei Zellen. Bei der strukturellen Plastizität kommt es dagegen zu bestimmten „sichtbaren“ Veränderungen in der Struktur des neuronalen Netzwerks.

Mit bestimmten Methoden kann heutzutage gut nachgewiesen werden, dass es nach verschiedenen Schädigungen des Gehirns zu einer Art Neu-Organisation der Aktivität innerhalb des Gehirns kommen kann. So sind etwa bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit bei Gedächtnistests Aktivierungen von Hirngebieten nachgewiesen worden, die bei Gesunden nicht mit dieser Aufgabe verbunden sind. Auch bei Schlaganfällen, die einzelne Hirnregionen zerstören, konnte eine Verlagerung der Aktivität auf benachbarte Hirnregionen gezeigt werden.


Kurz gesagt: Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Organisation immer wieder an veränderte Voraussetzungen und neue Herausforderungen anzupassen.


Neurogenese und Gedächtnistraining

Dank der Neurogenese, der Bildung neuer Nervenzellen, kann das Gehirn auch im Alter wachsen und sich an neue Herausforderungen anpassen. Gedächtnistraining und kognitives Training sind ideal, um diese Fähigkeit zu nutzen und zu fördern. Regelmäßiges Üben hilft, neue neuronale Kreisläufe zu bilden und die Verbindungen zwischen Nervenzellen zu stärken. Es gilt: „Use it or lose it“ (Benutze es oder verliere es).

Wichtig ist beim Training vor allem, dass die Inhalte und Ziele speziell auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden!


Fazit

Die gute Nachricht ist, dass Veränderungen im Gehirn möglich sind und dass kognitives Training die Gehirnplastizität anregen kann. Durch individuell angepasstes Training können auch im Alter die geistigen Fähigkeiten verbessert werden.


Es gilt: „Use it or lose it“ (Benutze es oder verliere es!)


Wichtig ist beim Training vor allem, dass die Inhalte und Ziele speziell auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden!



 

Quellen:


Prang, E. (2015). Veränderungen der kognitiven Leistungen. In E. Prang (Hrsg.), Gedächtnistraining 50+ planen, durchführen und evaluieren. (S. 5-8). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08487-5_2


gehirnlernen.de (o.D.). Gehirn und Lernen, Plastizität. https://www.gehirnlernen.de/gehirn/plastizität/


spektrum.de (o. D.). Lexikon der Neurowissenschaften, Plastizität im Nervensystem.https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/plastizitaet-im-nervensystem/9979


Cabeza, R., Albert, M., Belleville, S., Craik, F. I., Duarte, A., Grady, C. L., Lindenberg, U., Nyberg, L., Park, D. C., Reuter-Lorenz, P. A., Rugg, M. D., Steffener, J. & Rajah, M. N. (2018). Maintenance, reserve and compensation: the cognitive neuroscience of healthy ageing. Nature Reviews Neuroscience, 19(11), 701-710.


thieme.de (2017). Ergopraxis, Neuroplastizität – Das Gehirn lernt immer. https://doi.org/10.1055/s-0043-100270


cognifit.com (o.D.). Neuroplastizität, Struktur und Organisation. https://www.cognifit.com/de/gehirnplastizitat



 


Carla Winkelmann
Carla Winkelmann

Blogbeitrag verfasst von Carla Winkelmann M.Sc


Carla Winkelmann ist Psychologin und arbeitet bei HirnXund im Management sowie bei den Einzelgedächtnistrainings und Gruppentrainings. Sie hat von Anfang an maßgeblich an der Entwicklung von HirnXund mitgearbeitet. Mit ihrer strukturierten und gewissenhaften Arbeitsweise sowie ihrem Organisationstalent bringt sie wertvolle Stärken in unser Team ein und sorgt dafür, dass unsere Programme reibungslos und effektiv ablaufen.


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